Wer ist Erbe bei Testamentsvernichtung? Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat sich aktuell mit der Frage befasst, wer Erbe ist, wenn nur eines von zwei Originalen eines Testaments vernichtet wird.

Eine Erblasserin hatte zunächst ihren Urenkel als Erben eingesetzt. Später errichtete sie ein handschriftliches Testament, mit dem sie anstelle des Urenkels ihre Haushälterin zur Alleinerbin eingesetzt hatte. Außerdem erteilte sie der Haushälterin eine Vorsorge- und Bankvollmacht und verkaufte dieser u.a. gegen eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung ihr Hausgrundstück. Nachdem die Haushälterin unter Vorlage der Bankvollmacht 50.000 EUR vom Konto der Erblasserin abgehoben hatte, widerrief diese die Vollmacht. Darüber hinaus suchte sie einen Rechtsanwalt auf, um sich wegen einer möglichen Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Haus beraten zu lassen.

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Urenkel einen Alleinerbschein. Neben der letztwilligen Verfügung zu seinen Gunsten lag dem Nachlassgericht das Original eines Testaments zugunsten der Haushälterin vor. Der Urenkel behauptete, die Erblasserin habe das Testament zugunsten der Haushälterin widerrufen. Es habe nämlich ein zweites Original des Testaments gegeben. Dieses habe die Erblasserin im Rahmen der Beratung zur Rückabwicklung des Hauskaufvertrags ihrem Rechtsanwalt gezeigt und vor dessen Augen zerrissen. Dadurch gelte die letztwillige Verfügung zu seinen Gunsten.

Nach Vernehmung der Rechtsanwälte der Erblasserin und der Haushälterin als Zeugen kam das Nachlassgericht zu dem Ergebnis, dass der Urenkel Alleinerbe geworden und ihm ein Erbschein zu erteilen ist. Gegen den entsprechenden Beschluss des Nachlassgerichts hat die Haushälterin Beschwerde eingelegt. Dies hat das OLG Köln zurückgewiesen.

Das OLG hat festgestellt: Steht der Aufhebungswille des Erblassers fest, genügt die Vernichtung nur eines der beiden Dokumente zum wirksamen Widerruf durch Vernichtung, wenn zwei Originale eines Testaments existiert haben. Der Erblasser könne ein Testament jederzeit ohne besonderen Grund widerrufen, z.B. indem er die Testamentsurkunde vernichtet.

Sofern jedoch mehrere Urschriften vorhanden seien, könne die Vernichtung einer Urkunde nur genügen, wenn keine Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers bestünden. Dies sei hier der Fall. Der Anwalt der Erblasserin habe glaubhaft ausgesagt, dass die Erblasserin ein Original des Testaments zerstört habe. Dabei habe sie zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin festhalten wolle. Das stehe damit in Einklang, dass die Erblasserin keinen Kontakt mehr zur Haushälterin gehabt und unstreitig versucht habe, die Übertragung des Grundstücks an sie rückgängig zu machen. Angesichts ihres Alters von über 90 Jahren könne sie das zweite Original schlicht vergessen haben.

Quelle | OLG Köln, Urteil vom 22.4.2020, 2 Wx 84/20

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