Wann ist ein Unfall ein Unfall?

Ein Unfall im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversiche­rung liegt auch vor, wenn der Schaden durch den Versicherungsnehmer freiwillig herbeige­führt wurde. Ob dies vorsätzlich in Suizidabsicht geschah, was dazu führen würde, dass der Versicherer von seiner Leistung frei würde, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Indizien festgestellt werden. Die Beweislast hierfür trägt der Versicherer. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Dresden klargestellt.

Was war geschehen?

Der Versicherungsnehmer prallte mit seinem Kfz frontal gegen einen Straßenbaum, nachdem er beim Anfahren das Fahrzeug stark beschleunigt hatte. Das Fahrzeug erlitt hierbei einen Totalschaden. Der Versicherer hat eine Regulierung des Schadens abgelehnt, weil der Versi­cherungsnehmer den Unfall vorsätzlich in Suizidabsicht herbeigeführt habe. Damit greife die vereinbarte Ausschlussklausel.

Das Landgericht (LG) hat ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt. Danach lasse sich keine Suizidabsicht beweisen. Gleichwohl hat es die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Sein Verhalten stelle sich jedenfalls des­ wegen als grob fahrlässig dar, weil er es versäumt habe, den durch die Beschleunigung ausge­lösten Driftvorgang dadurch abzuwenden, dass er den Fuß vom Gaspedal genommen hätte. Dies stelle sich als so schwerwiegendes Versäumnis dar, dass hier ausnahmsweise eine Leistungs­kürzung auf Null gerechtfertigt sei.

Das OLG sieht einen Unfall, auch wenn der Schaden vorsätzlich herbeigeführt worden sei

Das OLG Dresden hat auf die Berufung des Versicherungsnehmers das Urteil geändert und den Versicherer antragsgemäß verurteilt. Es stellt klar: Es handelt sich bei dem o. g. Ereignis um einen „Unfall“ im Sinne des Versicherungsrechts. Ein solcher liege auch vor, wenn der Schadensfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei. Für das Vorliegen eines Unfalls komme es allein darauf an, dass der Schaden durch eine von außen plötzlich einwirkende mechanische Kraft herbeigeführt werde. Dies sei hier durch den Zusammenprall mit dem Straßenbaum der Fall.

Ein Haftungsausschluss wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Unfalls kommt nach den eindeutigen Versicherungsvereinbarungen nicht in Betracht. Dort heißt es nämlich aus­ drücklich: „Wir verzichten in der Fahrzeugversicherung auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens.“ Gegen die Wirksamkeit dieser Verzichtsklausel hatte das OLG keine Bedenken.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 10.11.2020, 4 U 1106/20

Haben Sie Fragen zur Unfallhaftung?

Dann helfen wir Ihnen gerne weiter, stehen Ihnen mit unserem Fachwissen zur Seite und setzen uns für Ihre Interessen ein. Vereinbaren Sie einfach einen Termin zur Erstberatung mit Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht Ulrike Silbermann.