Variable Vergütung und verspätete Zielvorgabe: Anspruch auf Schadensersatz

Variable Vergütung verspätete Zielvorgabe

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Variable Vergütung und verspätete Zielvorgabe: Arbeitnehmer hat Anspruch auf Schadenersatz. BAG: Pflicht zum Schadensersatz bei verspäteter Zielvorgabe.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden: Wer seinem Arbeitnehmer nicht rechtzeitig eine Zielvorgabe für die variable Vergütung macht, verletzt seine arbeitsvertragliche Pflicht – mit Schadenersatzfolgen. Das betrifft insbesondere Führungskräfte mit leistungsabhängigem Gehaltsbestandteil.

Variable Vergütung im Arbeitsvertrag: Pflicht zur rechtzeitigen Zielvorgabe

In vielen Arbeitsverträgen ist eine variable Vergütung vereinbart. Sie soll Arbeitnehmer motivieren, bestimmte Ziele zu erreichen, und zugleich unternehmerische Interessen fördern. In dem vom BAG entschiedenen Fall war die Zielvereinbarung zweistufig ausgestaltet: 70% der variablen Vergütung orientierten sich an Unternehmenszielen, 30% an individuell festgelegten Zielen. Laut einer bestehenden Betriebsvereinbarung mussten diese Ziele jährlich bis spätestens zum 1. März verbindlich festgelegt werden. Im konkreten Fall erhielt der Arbeitnehmer erst am 15. Oktober Informationen über die Unternehmensziele – also mehr als sieben Monate zu spät. Eine Zielvorgabe zu seinen individuellen Leistungen erhielt er gar nicht. Dies führte dazu, dass der Mitarbeiter nicht wusste, nach welchen Kriterien sein variabler Gehaltsanteil für das Jahr 2019 bemessen wird. Trotz dieser unvollständigen Grundlage zahlte der Arbeitgeber rund 15.600 Euro brutto als variable Vergütung aus.

Arbeitnehmer klagt auf Schadenersatz

Der betroffene Mitarbeiter akzeptierte diese Zahlung nicht als abschließend. Er argumentierte, dass er bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Zielvorgabe höhere Leistungen hätte erbringen können – und damit auch Anspruch auf eine höhere variable Vergütung gehabt hätte. Er klagte daher auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto, um die Differenz zu seinem aus seiner Sicht gerechtfertigten Anspruch zu erhalten. Seine Argumentation stützte sich auf die Annahme, dass er bei richtiger Umsetzung der Betriebsvereinbarung die Unternehmensziele vollständig (100%) und die individuellen Ziele entsprechend dem historischen Durchschnitt vergleichbarer Führungskräfte (142%) erreicht hätte.

Arbeitgeber unterliegt vor dem BAG

Das Arbeitsgericht wies die Klage zunächst ab, doch das Landesarbeitsgericht (LAG) gab dem Arbeitnehmer Recht. Die Revision des Arbeitgebers vor dem Bundesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg. Das BAG entschied klar: Die Beklagte habe ihre arbeitsvertragliche und betriebsvereinbarte Pflicht zur Zielvorgabe schuldhaft verletzt. Gerade weil ein so großer Teil der Zielperiode bereits verstrichen war, konnten die Ziele ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. Das Gericht stellte fest, dass eine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 BGB ausscheide, wenn die ursprüngliche Zielvereinbarung bereits so gravierend verspätet war, dass eine Nachholung keinen Sinn mehr ergibt. Der variable Vergütungsanteil lebt von seiner Steuerungsfunktion: Nur wer weiß, welche Ziele es zu erreichen gilt, kann sein Verhalten danach ausrichten.

Keine Anrechnung von Mitverschulden des Arbeitnehmers

Der Arbeitgeber versuchte sich unter anderem damit zu verteidigen, dass der Arbeitnehmer sich hätte um eigene Ziele bemühen oder zumindest einen Vorschlag machen müssen. Doch auch diesem Argument folgte das Gericht nicht. Die Verantwortung für die Einhaltung von Fristen und die Initiierung der Zielvereinbarung liegt eindeutig beim Arbeitgeber. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers in der Regel aus. Die Gerichte stellten zudem klar: Bei der Schadenshöhe sei im Rahmen einer gerichtlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die Ziele erreicht hätte, sofern keine konkreten Anhaltspunkte das Gegenteil nahelegen. Solche Anhaltspunkte konnte der Arbeitgeber nicht liefern.

Fazit: Arbeitgeber tragen Verantwortung für Zielvereinbarungen

Dieses Urteil ist ein deutliches Signal an Arbeitgeber: Wer variable Vergütungsbestandteile in Arbeitsverträgen vorsieht, muss die vereinbarten Zielprozesse ernst nehmen und insbesondere die Zielvorgaben fristgerecht und konkret formulieren. Andernfalls drohen nicht nur Konflikte mit den Mitarbeitenden, sondern auch erhebliche finanzielle Risiken. Beschäftigte hingegen sollten sich im Zweifel rechtlich beraten lassen, wenn Ziele verspätet oder unvollständig mitgeteilt werden. Das Urteil des BAG bietet eine starke Grundlage, um Ansprüche auf Schadenersatz erfolgreich geltend zu machen.

Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25

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