Freistellung während der Kündigungsfrist – Was Arbeitnehmer wissen müssen.

Freistellung während der Kündigungsfrist ist ein arbeitsrechtlich sensibles Thema, insbesondere wenn es um Vergütungsansprüche und mögliche Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers geht. In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass ein freigestellter Arbeitnehmer nicht automatisch böswillig handelt, wenn er während der Kündigungsfrist kein neues Arbeitsverhältnis eingeht.

Hintergrund des Falls

Ein Senior Consultant war seit November 2019 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt und verdiente 6.440 Euro brutto monatlich. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2023 und stellte ihn unter Anrechnung von Resturlaub unwiderruflich von der Arbeit frei. Gegen die Kündigung erhob der Arbeitnehmer Klage – mit Erfolg. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben ihm Recht.

Arbeitgeber übermittelte Stellenangebote

Bereits im Mai und Juni 2023 übersandte die Arbeitgeberin dem Kläger insgesamt 43 Stellenangebote. Sie meinte, er hätte sich frühzeitig auf diese bewerben müssen. Die Agentur für Arbeit sandte ihm erstmals im Juli Vermittlungsvorschläge.

Bewerbung erst zum Ende der Kündigungsfrist

Der Arbeitnehmer bewarb sich – allerdings erst Ende Juni – auf sieben der vorgeschlagenen Stellen. Die Arbeitgeberin verweigerte daraufhin die Gehaltszahlung für Juni 2023 mit der Begründung, der Kläger habe „böswillig“ einen möglichen anderweitigen Verdienst unterlassen (§ 615 Satz 2 BGB).

BAG: Freistellung begründet Annahmeverzug des Arbeitgebers

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte, dass die einseitige Freistellung während der Kündigungsfrist zu einem Annahmeverzug des Arbeitgebers führt. Damit bleibt der Vergütungsanspruch bestehen (§ 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB). Ein Arbeitnehmer muss sich nur dann fiktiven Verdienst anrechnen lassen, wenn er gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt – etwa durch völlig untätiges Verhalten. Im konkreten Fall war das nicht gegeben: Der Arbeitnehmer hatte ein berechtigtes Interesse daran, sich erst gegen Ende der Kündigungsfrist zu bewerben. Die Arbeitgeberin konnte zudem nicht darlegen, warum eine Weiterbeschäftigung für sie unzumutbar gewesen wäre.

Fazit: Keine Pflicht zur vorzeitigen Neuorientierung bei Freistellung

Eine Freistellung während der Kündigungsfrist begründet keinen Automatismus für die Annahme böswilligen Unterlassens anderweitigen Verdienstes. Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, bereits während der Kündigungsfrist ein neues Beschäftigungsverhältnis einzugehen – insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitgeber sich durch die Freistellung selbst in Annahmeverzug begibt.

Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2

Sie sind gekündigt worden und wissen nicht, was Ihnen zusteht? Jetzt Beratung sichern!

Wir prüfen Ihre Kündigung, Ansprüche auf Vergütung während der Freistellung und mögliche Abfindungsoptionen. Kontaktieren Sie jetzt die Advocatae Kanzlei und vereinbaren Sie einen zeitnahen Beratungstermin mit unserem erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Das könnte Sie auch interessieren