Außerordentliche Kündigung: Oberarzt ließ 16-jährigen Sohn im OP assistieren

Außerordentliche Kündigung wegen Pflichtverletzung eines Arztes

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Außerordentliche Kündigung wegen Pflichtverletzung: Oberarzt ließ 16-jährigen Sohn im OP assistieren. Ein leitender Oberarzt, der seinen 16-jährigen Sohn Tätigkeiten während der OP durchführen lässt, kann dafür auch ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Paderborn.

Das war geschehen

Die Parteien streiten über eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung. Der Arbeitnehmer war seit 2011 als leitender Oberarzt in der Klinik für Orthopädie/Unfallchirurgie tätig. Er nahm bei einer von ihm durchgeführten Operation seinen 16-jährigen Sohn mit in den Operationssaal. Er ließ ihn während der OP „Haken-Halten“, während sich die 76-jährige Patientin in Vollnarkose befand. Hierbei handelt es sich um das Offenhalten des Operationsbereichs nach dem Schnitt, um sicherzustellen, dass der Operateur während der Operation Zugang zum Operationsgebiet hat.

Bevor er den Operationssaal verließ, bot er seinem Sohn an, dass dieser das „Tackern“ durchführen könne. Der Sohn lehnt das Angebot ab.

Nachdem der Arzt den Operationssaal verlassen hatte, nähte ein Facharzt zunächst subkutan. Er begann dann die Haut zu tackern. Die letzten zwei bis drei Tackervorgänge führte der Sohn des Arbeitnehmers aus.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellte den Arbeitnehmer frei. Dieser behauptet, den Chefarzt über die beabsichtigte Mitnahme seines Sohnes in den Operationssaal vorher informiert zu haben. Hiergegen habe es keine Einwände gegeben.

Zudem seien in der Vergangenheit in der Klinik andere Personen während Operationen im OP anwesend gewesen und diese hätten auch teilweise Tätigkeiten übernommen. Dies entspräche der üblichen Praxis beim Arbeitgeber. Zudem wäre eine Abmahnung ausreichend.

Der Arbeitgeber ist der Ansicht, dass bereits die Mitnahme des Sohnes eine so schwerwiegende Pflichtverletzung darstelle, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige.

Mehrere Pflichtverstöße des Arztes

Das Arbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorlag, die eine Abmahnung entbehrlich gemacht habe.

Der Arzt habe seine Aufklärungspflicht gegenüber der Patientin verletzt. Er habe diese nicht über die Anwesenheit seines Sohnes informiert und ihr Einverständnis hierzu nicht eingeholt. Die Würde der Patientin sei missachtet worden.

Es sei irrelevant, ob die Hygienevorgaben durch den Sohn eingehalten worden seien. Die Gegenwart jeder weiteren Person im Operationssaal erhöhe die Gefahr einer Übertragung von Krankheitserregern.

Sohn ohne medizinische Ausbildung und Vorerfahrung

Es beständen Anhaltspunkte dafür, dass sich durch die Anwesenheit des Sohnes die OP konkret hätte verzögern und es zu Ablaufstörungen hätte kommen können. Die Gefahr sei latent vorhanden gewesen. Der Sohn habe keine medizinische Ausbildung und ebenso wenig Vorerfahrung im medizinischen Bereich.

Es habe die Gefahr bestanden, dass der Sohn Schwierigkeiten bei der Ausführung der anspruchsvollen Tätigkeit habe, die üblicherweise von einem Assistenzarzt durchgeführt werde. Der Arzt habe damit rechnen müssen, dass dem Sohn Fehler unterlaufen und er einschreiten müsse. Das sei ihm bewusst gewesen. Selbst, wenn der Arbeitnehmer den Chefarzt über die Mitnahme seines Sohnes in den OP in Kenntnis gesetzt haben sollte und dieser keine Einwände erhoben habe, führe die Assistenz des Sohnes während der OP zu einem so schwerwiegenden Pflichtverstoß, dass dies die Kündigung – auch ohne Abmahnung – rechtfertige.

Ärztliche Schweigepflicht verletzt und fehlende Sensibilität

Das Verhalten führe auch zu einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber der Patientin. Es wurde eine narkotisierte und weibliche Patientin operiert. Hier zeigt sich fehlendes Verantwortungsbewusstsein und fehlende Sensibilität des Arztes in Bezug auf die Intimsphäre der Patientin.

Quelle | ArbG Paderborn, Urteil vom 20.8.2024, 3 Ca 339/24

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