Fahrerflucht und relative Fahruntüchtigkeit: Widerspruch bei Schuldfähigkeit. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Wenn ein Gericht eine relative Fahruntüchtigkeit annimmt, müssen die Erwägungen zur nicht erheblich verminderten Schuldfähigkeit widerspruchsfrei sein.
Flucht vor Polizeikontrolle führte zu Unfall
Das Landgericht (LG) hatte einen Mann u. a. wegen Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. Als eine Polizeistreife ihn anhalten wollte, ignorierte er das Signal und floh mit hoher Geschwindigkeit durch mehrere Straßen. Dabei beschädigte er beim Durchfahren einer Kurve zwei geparkte Fahrzeuge erheblich.
Relative Fahruntüchtigkeit nach Alkohol und Drogen
Eine Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,96 mg/g sowie den Nachweis von Kokain und Benzoylecgonin. Damit war eine relative Fahruntüchtigkeit gegeben, die für die Beurteilung der Steuerungsfähigkeit von Bedeutung war.
Widersprüche bei der Schuldfähigkeit
Das LG hatte ein „rauschbedingtes Fehlverhalten“ angenommen, gleichzeitig aber die Steuerungsfähigkeit des Mannes nicht als erheblich eingeschränkt bewertet. Dies führte zu einem unauflösbaren Widerspruch.
Zur Begründung der erhalten gebliebenen Steuerungsfähigkeit führte das LG an, dass der Mann mehrere Straßen mit hoher Geschwindigkeit befahren und Abbiegevorgänge gemeistert habe, ohne die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren. Auch seine Flucht zu Fuß nach dem Unfall wertete das Gericht als Beleg für eine ausreichende Steuerungsfähigkeit.
Der BGH stellte klar: Diese Ausführungen stehen im Widerspruch zur Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit und müssen von Gerichten künftig konsistenter bewertet werden.
Fazit: Bedeutung für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass bei der Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit die Begründung zur Schuldfähigkeit sorgfältig und widerspruchsfrei erfolgen muss. Gerichte dürfen rauschbedingtes Fehlverhalten nicht gleichzeitig mit einer angeblich voll erhaltenen Steuerungsfähigkeit begründen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 4.12.2024, 4 StR 453/24
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