Autofahrer stehen häufig vor der Frage, wie sie sich verhalten sollen, wenn plötzlich ein Tier auf die Fahrbahn läuft. Ein Urteil des AG Dortmund verdeutlicht, dass ein Unfall durch Bremsen für ein Tier rechtlich nicht automatisch einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung darstellt und wann das Bremsen zulässig ist.
Bremsen für eine Taube – keine Ordnungswidrigkeit
Das Amtsgericht (AG) Dortmund entschied, dass das Bremsen für eine Taube unmittelbar nach dem Anfahren an einer Ampel nicht ohne zwingenden Grund erfolgt und keinen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO darstellt. Ein Unfall durch Bremsen für ein Tier kann daher unter bestimmten Umständen rechtlich zulässig sein.
Das war geschehen: Taube auf der Fahrbahn
Zwei Fahrzeuge warteten vor einer Ampel. Als die Ampel auf „Grün“ umschlug, fuhr das erste Auto los, bremste jedoch nach wenigen Metern, weil eine Taube auf der Fahrbahn saß. Der nachfolgende Wagen fuhr auf.
Auffahrender verlangte Schadenersatz
Das Gericht verwies auf den Beweis des ersten Anscheins: Wer auffährt, haftet grundsätzlich, wenn er zu dicht oder unaufmerksam fährt. Dieser Beweis kann jedoch erschüttert werden, wenn ein außergewöhnlicher Geschehensablauf vorliegt. Das Bremsen für eine Taube stellte in diesem Fall einen solchen berechtigten Grund dar.
Beweis des ersten Anscheins
Dieser Beweis des ersten Anscheins kann jedoch erschüttert bzw. ausgeräumt werden, wenn der Auffahrende einen anderen ernsthaften, typischen Geschehnisablauf darlegt und beweist. Das konnte der Auffahrende hier aber nicht. Der Anscheinsbeweis ist nicht dadurch erschüttert, dass der andere Fahrer für eine Taube stark gebremst hat.
Das Bremsen für ein Tier war hier nicht ohne zwingenden Grund. Es war in dieser konkreten Situation kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1, S. 2 StVO. Eine Abwägung der gefährdeten Rechtsgüter ergibt, dass hier gebremst werden durfte. Die damit einhergehende Gefahr von Sachschäden an dem eigenen wie an dem fremden Kraftfahrzeug hat keinen Vorrang vor dem Tierwohl.
Vielmehr ist hier zu beachten, dass der Unfall bei sehr geringer Geschwindigkeit im Anfahrvorgang geschah. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit waren auch keine Personenschäden zu erwarten. Allein, weil es sich bei einer Taube um ein Kleintier handelt, kann nicht verlangt werden, dass das Tier hätte überfahren werden müssen. Das Töten eines Wirbeltiers ist nach dem Tierschutzgesetz grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit. Das war dem Autofahrer nicht zuzumuten. Diese Vorschrift ist auch Folge des im Jahr 2002 in Art. 20a Grundgesetz (GG) aufgenommen Tierschutz als Staatszielbestimmung der Bundesrepublik Deutschlands.
Quelle | AG Dortmund, Urteil vom 10.7.2018, 425 C 2383/18
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